Vom 6.bis 9.10. 2022 traf sich die Regionalgruppe 84 – Saar des Bundesverbandes Poliomyelitis e.V. hier in der Stadthalle in Gunzenhausen, um sich über die aktuellen Aspekte des Post – Polio – Syndroms zu informieren. Ulrike Jarolimek, die die Gruppe leitet, hatte im Vorfeld ein abwechslungsreiches und informatives Programm zusammengestellt. So durfte ich neben anderen Referenten einen Vortrag zum Thema „Verbundenheit durch Mitgefühl zu uns selbst und zu anderen“ halten.
Die Begegnung mit diesen Menschen, die seit frühester Kindheit immer am kämpfen sind, berührt mich nachhaltig sehr. Vor 60 – 70 Jahren waren sie als Kinder wochen- oder monatelang in Krankenhäusern isoliert und auch später nicht in der Gesellschaft integriert wie Behinderte jetzt. Den hochtechnischen Support von z.B. Gehhilfen etc. gab es damals noch nicht und Mitgefühl war dünn gesät. Diese Zeit prägte jeden Einzelnen der Gruppe.
Anteilnehmen zu können an ihren teilweise bitteren und traumatisch erlebten Erfahrungen, das war sehr bewegend. Zu wissen, dass es Menschen mit dieser Erkrankung so nicht mehr geben wird wie die Selbsthilfegruppenleiterin selbst sagte „Wir sterben aus“, löste in mir unterschiedliche Gefühle aus. Einerseits Erleichterung, da anderen Menschen diese Erfahrungen, die sich auf alle Lebensbereiche erstrecken, erspart bleiben. Andererseits tiefes Mitgefühl, dass die Anzahl der Betroffenen, die sich gegenseitig am besten verstehen können, abnimmt. In dem Moment war es mir nicht so bewusst, dass der Kreis der Betroffenen irgendwann wegfällt. Alle anderen Erkrankungen wiederholen sich in der Gesellschaft wie z.B. MS, Querschnittslähmung durch Unfälle, Schlaganfall oder Krebs etc. .Diese Patienten haben immer jemanden mit den sie reden und sich austauschen können. Um so wichtiger empfinde ich es, dem Thema Mitgefühl Platz in unserer Gesellschaft einzuräumen. Menschen Mitgefühl (nicht Mitleid) schenken zu können durch 100 % präsentes Zuhören, bei gleichzeitigem „Parken“ der eigenen Gedanken und Lösungsvorschläge, liegt mir sehr am Herzen für mehr Menschlichkeit. Denn das würde für Menschen mit und ohne Behinderungen das Leben leichter und bunter machen. Werden Menschen mit Ihren Bedürfnissen ernst genommen, so könnte das auch manch städtebauliche Massnahme beeinflussen und vieles andere auch. Und zusätzlich uns selbst in dem ein oder anderen Moment Mitgefühl, (wenn gerade niemand da ist), schenken zu können, hilft uns sehr dabei aus einem Tief wieder heraus zu kommen.
Wie ich im Nachgang von Frau Jarolimek erfuhr, reiste sie ein paar Tage später zum Weltgesundheitsgipfel nach Berlin, um sich für Mitbetroffene mit Post – Polio Syndrom einzusetzen. Ja, so habe ich sie und die gesamte Gruppe erlebt trotz allem weiter zu gehen – jeder auf seine Art und Weise.
Unter der Kampagne END POLIO NOW ist man weiterhin bemüht die Ausrottung des Virus zu beizuhalten. Derzeitig ist der Stand 99 %. Leider steigt die Anzahl der Polio Infizierten in New York wieder auf Grund von nicht durchgeführten Impfungen. Wenn jeder erkennen würde, wie anstrengend der Alltag für Betroffene ist und wie frustrierend es ist, wenn nach vielen Jahren des Kampfes um das Wiedererlangen von Bewegungsfähigkeiten eine erneute Verschlechterung des Körperzustandes eintritt (was bei dem Post- Polio Syndrom der Fall sein kann), würden viele über eine Impfung anders denken.
Ich bin persönlich äußerst dankbar für die Möglichkeit und Durchführung meiner „Schluckimpfung“ und für die Entscheidung meiner Eltern und der Verantwortlichen. Ja, ich habe Glück gehabt. Es ist nicht selbstverständlich.
Mehr Informationen über die Erkrankung von „Kinderlähmung“ und den Bundesverband Poliomyeltis e.V. oder wer ihn unterstützen findet weitere Informationen über diesen Link https://www.polio-selbsthilfe.de/willkommen